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Das
Papier, eines der empfindlichsten und feinsten Materialien für die
künstlerische Gestaltung, bildet das Grundelement sämtlicher Arbeiten
der international bekannten Künstlerin Fanny Schoening. Sie
findet es in beschriebenem oder bedrucktem Papier von Zeitungen und
Zeitschriften, in Reproduktionen von Manuskripten und Partituren, in
Briefen und Notizen oder in der leeren Fülle des noch nicht
beschriebenen oder bemalten Papiers. Die Reduktion ihres Schaffens auf
diesen einen Werkstoff erhält in der Vielfältigkeit der
unterschiedlichsten bildnerischen Formen und Formate sowie im
innovativen Einsetzen ihrer vielfältigen Verarbeitungsmethoden einen
intensiven Ausdruck in einer ganz eigenen Bildsprache. Durch
ungewöhnliche Reiß- und Klebetechniken sowie von ihr entwickelten
Lavage- und Brossage- Verfahren entstehen auf der Leinwand aus
zahllosen kleinsten, sich zuweilen auflösenden Streifen, filigrane Collagen als vielschichtige PapierLandschaften. Neben diesen, in ihrer papiernen Oberfläche reliefartigen Arbeiten und ihren flächigen PapierCollagen, stehen die von der Künstlerin aus Papier geformten, raumgestaltenden, plastischen Werke: PapierSkulpturen, Wandfigurinen, WandSkulpturen,
audiovisuelle Objekte, SchriftPfähle und archaisch anmutende Stelen.
Auch auf diese hat sie fein geschnittene Papierstreifen mit dadurch
zufallsbestimmten Wörtern, Buchstaben und Schriftzeichen als autonome,
bildnerische Zeichen in mannigfaltigen, mäanderähnlichen
Konstellationen figuriert. Dem nähertretenden Betrachter offenbart sich
auf den Tableaus ihrer PapierLandschaften und auf den in sich ruhenden,
enigmatischen, skulpturalen Objekten ein labyrinthischer Mikrokosmos
aus Papierteilchen und ineinander übergehender Gebilde. In ihren kubistisch anmutenden Arbeiten transformiert sie die
Fläche des Bildes in eine mehrdimensionale, raumgreifende PapierLandschaft und vereint dabei Malerei, Collage und Skulptur in
einem Werk. In ihren polychromen Tableaus wandelt sich, in einer Symbiose aus farbigen Flächen und Linien, das von ihr auf der Leinwand bildnerisch herausgearbeitete Papier in vielfarbige, dynamisch-eruptive, wie energetisch-meditative PapierLandschaften. “Meine Arbeiten sind Meditationen in Papier“. Aus ihren
Begegnungen und Freundschaften mit Künstlerinnen und Künstlern ist seit
1983 eine Serie von bisher über 15 intermedialen Portraits in
den unterschiedlichsten Figurationen hervorgegangen, die sie aus den
ihr von diesen Künstlern geschenkten Manuskriptseiten, Partituren,
Publikationen und Arbeitsnotizen entwickelt hat. Portraits von: Alison
Knowles (1983), Helmut Heißenbüttel (1984), John Cage (1985/86),
Friederike Mayröcker (1986), Henri Chopin (1986), Malcolm Goldstein
(1986), Frans van Rossum (1987), Merce Cunningham (1988), George Brecht
(1988), Mauricio Kagel (1989), Pauline Oliveros (1990), Pierre Henry
(1992-94), Hans Otte (1995-2001), Charlie Morrow (1996), R.Murray
Schafer (1999), Barry Bermange (2002-04), Paul Wühr (2004). Diese Portraits
stellen jedoch keine Abbildungen der Portraitierten dar. Aus den
Papier-Materialien entstanden bildnerische Transformationen als
doppelseitiges Tableau, als Lesesäule, als Relief, als Miniaturen, als
geneigte Skulptur, als Installation oder schwebende Kugel. Mehrere
dieser in großen, internationalen Museen ausgestellten, zumeist von
Geräusch-Klang-Kompositionen begleiteten Portraits bilden einen der künstlerischen Schwerpunkte des variantenreichen Schaffens von Fanny Schoening. Zu einem
ebenso interaktiven wie kreativen Arbeitsprozess führte die Begegnung
der bildenden Künstlerin mit der Medienkünstlerin Nadja Schöning, der sich in zahlreichen von den beiden als FotoPainting bezeichneten,
gemeinsamen Realisationen vergegenwärtigt. Dabei verbinden sich die
scheinbaren Antipoden Fotografie und Malerei in einem intermedialen
Zusammenspiel zu neuen ästhetischen Gebilden. Die Künstlerin variiert
hierbei ein Verfahren, das sie in den 70er Jahren bei malerisch von ihr
bearbeiteten Reproduktionen von Bildern und aktuellen Fotografien aus
Zeitschriften eingesetzt hat. In vielen Werken von Fanny Schoening
deutet sich eine verhaltene Affinität zu fernöstlicher Ästhetik und
Gedankenwelt an. Einige ihrer Arbeiten weisen bereits in den Titeln auf
diesen Bezug hin. So etwa: die aus 64 kleinformatigen
PapierLandschaften bestehende Serie I-Ging, deren Anzahl von den 64 Hexagrammen des altchinesischen Buch der Wandlungen bestimmt wurde. Meditation Mandala Music nannte sie, in Form einer audio-kinetischen PapierSkulptur, das Portrait der Komponistin Pauline Oliveros und Hsin Hsin Ming Seng Ts'an ist der Titel ihres Portraits
des Fluxuskünstlers George Brecht. In diesen Kontexten entstand auch
die an japanische Steingärten erinnernde Boden-Installation PaperStones. Conversing with Cage.
Zudem hat die Künstlerin zahlreichen ihrer Arbeiten aus Papier Titel in
japanischer Sprache gegeben. Ist es doch das Papier selbst, das - in
seiner feinen materiellen Stofflichkeit und in seiner sinnlich
wahrgenommenen Transparenz - von dieser Kultur in vielfältigen Formen
und subtilen Anwendungen in ganz besonderer Weise zur Erscheinung
gebracht wurde.
***
What I thought was so beautiful about her work was that she has given
herself, devoted herself to every part - to even the smallest part of
the surface upon which she works. She has paid attention and given
herself. That generosity needed what we are having today - people to
receive it. In other words she has found a way of paying attention by
not doing less but actually using less material to bring about the same
kind of generosity. It's an idea that we know a great deal in this
century: doing more with less. All of this seems to me as I see it
today to take place in a weather that is windy. When we seem to see an
object in the collages, it is hard to say whether the wind is in the
object or in its environment. And another thing strikes me. These
pictures, like others, not all others, but some others, can be seen
from different distances. I have the impression that, as we get closer
to these collages, that the wind dies down. Her most recent generosity
is characterized by her own receptiveness. In other words her
generosity is complemented by society's generosity to her. JOHN CAGE
*** 13 Sätze für Fanny 1 der ästhetische Prozeß beginnt mit dem Blick umher 2 der Blick umher bleibt hängen 3 der Blick umher bleibt hängen und sammelt ein 4 was der Blick umher eingesammelt hat wird in den ästhetischen Prozeß hineingezogen 5 im ästhetischen Prozeß wählen Auge und Hand aus dem Eingesammelten aus 6 der ästhetische Prozeß beginnt in der Auswahl aus dem Eingesammelten durch Auge und Hand 7
der ästhetische Prozeß entwickelt in der Auswahl aus dem
Eingesammelten durch Auge und Hand eine Grundlage aus Form und Farbe 8 auf der Grundlage aus Form und Farbe baut der ästhetische Prozeß auf 9
der Aufbau des ästhetischen Prozesses stellt sich dar als
ein langandauerndes zögerndes vorschnellendes abwartendes und
kurzschließendes Versuchen Probieren und Tun 10 im
Aufbau des ästhetischen Prozesses steigen aus dem noch nicht
festgelegten Versuchen Probieren und Tun Inseln des Festgelegten
Fixpunkte Fixkombinationen allmählich auf 11 mit dem Auftauchen des im ästhetischen Prozeß Fixierten beginnt der Abschluß des ästhetischen Prozesses 12 der
Abschluß des ästhetischen Prozesses geht aus von der Kontrolle des im
Versuchen Probieren und Tun Fixierten schlägt Brücken und enthüllt den
Zusammenhang von Form und Farbe bis sich dieser Zusammenhang als Bild
offenbart 13 das sich offenbarende Bild schließt
den ästhetischen Prozeß ab denn im Bild ist der ästhetische Prozeß als
Bild als das was wir Bild nennen zu sich selbst gekommen. HELMUT HEIßENBÜTTEL
*** Les surfaces en reliefs de Fanny Schoening me donnent des danses où les papilles optiques se voient sollicitées en toutes directions. Avec Fanny Schoening
nous sommes dans une très grande promenade, sur un monde horizontal ou
encore vertical selon la position des surfaces superposées; par elle le
tableau, ou plutôt la surface est une 'invite aux voyages', et ce
voyage a pour clef une porte inconnue du livre seulement - si j'ose
dire - lu, puisque faute ses débuts: Heißenbüttel, John Cage, se
transmuent en prétextes à esprits, et que ces prétextes humains à leur
tour se voient projetés dans une sorte de 'cherchance' (pardonnez ce
mot inventé) où les explorations ne cesseront jamais. HENRI CHOPIN
*** HIKARU MONO KANARAZUSHIMO KIN NARAZU, oh du meine Angetobte,
für Fanny Schoening “loveless love“, und die schwarzen ärmellosen Kleider der alten Frauen von Rom, betörend und Akelei oder schwarze Rose, die schweren schwarzen Krähen niedertauchend, ins Flammen Meer, die fransenden schwarzen Schat- ten des Himmels, die schwarzen Erzengel mit den 1o Köpfen und looo Händen, so Swedenborg - allein durch die Purpurblumen spazieren, durch die Feuerlilien streifen, im Hades, eine Rückgeisterung, feuerrote Papierwälder wie damals als Kind und aus dem purpurnen Glanzpapier Figuren schnitt usw. , nämlich mit einem Eispickel (Gravur und Genien) senkrecht und unregelmäszig von oben nach unten das nasse Papier zersägte - während die Stimmen im Äther - FRIEDERIKE MAYRÖCKER
*** for Fanny Schoening - thoughts concerning my portrait by you Scores (partituren) of soundpieces/music shredded and sentences (words from articles concerning Improvisation) broken apart, to create a visual portrait (white of paper, grey of shadow, black of original music and words) which becomes once again, a new field of sounding entered into and freely traversed: a soundscape for music making. And so, the circles of possibilities expand as a dialogue of artist's work. interacting. MALCOLM GOLDSTEIN
*** Oceaner af tid Unendlich viel Zeit Zeit ist ein wichtiger Faktor in den Arbeiten von Fanny Schoening.
Zeit scheint unendlich aufgehoben in ihren Werken. Zeit, die in dem der
Werkstoff Papier gelebt hat, mit dem Zeit verbracht und zusammen erlebt
wurde. Und sie ist mit dieser Zeit allein, wenn sie den Werkstoff
transformiert in ihre Arbeiten. Schließlich ist da die Zeit, in der
diese Werke dann mit ganz anderen Augen wahrgenommen werden, Augen, die
sie betrachten, in ihnen lesen und hineinhorchen. MARIANNE BECH *** Am Beispiel der Schrift-Skulpturen von Fanny Schoening
zeigt sich, dass die Schrift nicht mehr auf die Fläche beschränkt ist,
das sie sich aus dem Medium Buch hinaus auf die Leinwand, von hier aus
über das Relief und die Skulptur in den Raum bewegt. Der Raumbezug der
Skulptur ist erweitert in die unterschiedlichen medialen Räume, die
Ton- und Bildtechniken heute eröffnen. So wird der plastische Prozess
des Formens und Umformens im intermedialen Spielraum fortgesetzt. PETRA MARIA MEYER
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